Vor allem die Unternehmenskommunikation „kostet“ häufig Geld, ohne einen direkt spürbaren Effekt auf den Umsatz. Zum Beispiel im Bereich der internen Kommunikation in Richtung MitarbeiterInnen oder bei Image- und Reputationsthemen. Das zahlt sich erst mittel- bis langfristig aus. Schwächt das meine Verhandlungsposition für das unsichere Jahr 2021?
Alles im Unternehmen kostet Geld. Ein guter Vorstand denkt mittel- und langfristig, vor allem in schwierigen Situationen und Krisen. Zudem gibt es in der Management- und Marketinglehre genug Argumente für interne und externe Kommunikation, intern zum Beispiel die Motivation der Mitarbeiter und extern das Vertrauen der Kunden. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass es für den Erfolg keine Möglichkeiten der Messung gibt.
Welche konkreten Handlungsempfehlungen kann ich umsetzen, um meine Verhandlungsposition für das unsichere Jahr 2021 dennoch zu stärken?
Ich empfehle Marketing- und Kommunikationsbereichen in Unternehmen, gemeinsam eine Liste mit Argumenten zu erstellen, welche die Daseinsberechtigung der Abteilungen untermauern. Der Sinn des eigenen Bereichs muss nicht nur idealistisch in den Köpfen der Mitarbeiter in Kommunikation und Marketing verankert sein, sondern auch argumentativ. Denn häufig denken Mitarbeiter aus anderen Bereichen im Unternehmen: Kommunikation kostet viel und bringt nichts. Die richtigen Argumente stärken dabei die Verhandlungsposition und hoffentlich können Sie damit nicht nur die Führungskräfte, sondern auch die Kollegen überzeugen.
Aus dem Jahr 2020 habe ich noch ein Restbudget offen. Sollte ich das noch schnell „verpulvern“, damit ich mein gesamtes Budget genutzt habe, um 2021 wieder mindestens dieselbe Summe zu erhalten? Oder sollte ich lieber transparent zeigen, warum das Budget offengeblieben ist?
Ich mag dieses Spiel als Facette der Planwirtschaft nicht, obwohl ich genauso wie Agenturen davon profitiere, dass freigegebene Budgets auch ausgegeben werden. Ich plädiere jedoch ganz klar für Transparenz. Ich denke, dass durch eine transparente Kommunikation ein Umdenken im Unternehmen erfolgen und die Unternehmenskultur weiterentwickelt werden kann. Voraussetzung ist natürlich ein Vorstand, welcher Argumenten und Logik gegenüber aufgeschlossen ist. Allerdings kann ich natürlich nichts zur Kultur des Unternehmens sagen. Wenn es für die Marketing- und Kommunikationsabteilungen in der Vergangenheit gut funktioniert hat, das Budget aufzubrauchen, kann es natürlich so weitergeführt werden.
Würden Sie taktisch empfehlen immer zuerst mögliche Marketing- und Kommunikationsziele für 2021 zu skizzieren und dann das dafür erforderliche Budget zeigen? Oder würden Sie empfehlen, mit der Budgetplanung zu starten und dann zu zeigen, welche Ziele damit erreicht werden können?
Es ist eine Mischung aus Push- und Pull zum einen und dem ökonomischen Prinzip (Minimum- und Maximum-Prinzip) zum anderen. Beide in der Frage formulierten taktischen Maßnahmen machen Sinn, wenn man sie richtig einsetzt. In der Praxis kommt es meist zur Kombination beider Varianten durch Argumentation und Gegenargumentation. Häufig nehmen Budgetverhandlungen dann einen ähnlichen, fast schon typischen Verlauf. Grundsätzlich sollte die Entscheidung für eine Variante auf der Typologie der Entscheider basieren.
Was bedeutet das?
Wenn der Vorstand die Marketing- und Kommunikationsziele kennt, versteht und akzeptiert, sollte die erste Variante genutzt werden. In diesem Fall können Sie die Budgetforderungen durch die Ziele untermauern. Es ist sinnvoll auch dann mit den Zielen anzufangen, wenn die Charaktere der Entscheider eher visionär, idealistisch und beziehungsorientiert sind.
Die zweite Variante wird hingegen dann eingesetzt, wenn man davon ausgeht, dass die Führungskräfte bei der Summe des Budgets nicht gleich in Ohnmacht fallen. Mit dem Budget zu starten eignet sich eher bei Entscheidern, die Controlling-orientiert agieren oder einen technischen Hintergrund haben.
Macht es Sinn, sich für 2021 mit strategisch passenden anderen Abteilungen zusammen zu tun, um vor dem Hintergrund der Synergien gemeinsam ein Budget zu erkämpfen?
Die Frage ist, welche anderen Bereiche gemeint sind. Ich halte es immer für eine gute Idee, wenn sich Bereiche ohne direkte Schnittstelle kennenlernen. Das erhöht das Verständnis für die Wertschöpfungskette im Unternehmen und die Arbeit der Anderen. Auch in Bezug auf die Budgetverhandlung ist ein Zusammenschluss zweier Abteilungen wichtig.
Welche Abteilungen könnten das sein?
Eine sinnvolle Schnittstelle sehe ich zum Beispiel zwischen Marketing und Vertrieb/Key Account Management. Hier ist eine Abstimmung in Bezug auf das Budget unerlässlich. Wenn die Marketingabteilung das Budget sinnvoll einsetzt, hat es der Vertrieb leichter, Bestandskunden zu betreuen und Neukunden zu gewinnen. Ein Beispiel dafür ist eine gute Krisenkommunikation, durch die das Vertrauen der Kunden aufrechterhalten wird. Wenn strategisch passende Abteilungen an einem Strang ziehen und sich Gelder gegenseitig nicht streitig machen, dann hoffe ich, dass das Budget nicht erkämpft, sondern gerne vom Vorstand freigegeben wird.
Eine fast schon philosophische Frage: Wie sinnvoll sind Jahresbudgets aus Ihrer Sicht in diesen sprunghaften Zeiten überhaupt? Macht eine Jahresplanung wirklich noch Sinn oder sollte man in kürzeren Intervallen denken?
Eine meiner Lieblingsfragen und -gedanken der letzten Jahre. Im Kern geht es eigentlich immer um den Nutzen und Sinn für Kunden und Mitarbeiter sowie um die Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Wenn es darum geht, die Unternehmensvision zu verfolgen, die Mission zu unterstützen und die Werte des Unternehmens als (vielleicht schon kategorischen) Imperativ zu sehen, ist das Budget und die Intervalldauer sekundär. Natürlich spielt Geld dennoch eine Rolle und letztendlich gibt es keinen Weg, eine Diskussion darüber zu vermeiden. Um die monetäre Forderung der Marketing- und Kommunikationsabteilungen zu verteidigen, können deren Maßnahmen von den Werten und Visionen des Unternehmens abgeleitet werden. Es geht um die Motivation aller Beteiligten, einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens zu leisten. Jedoch werden Motivation, Lösungsorientierung und Kreativität reduziert, wenn die Mitarbeiter in ein enges Budgetkorsett gezwängt werden.
Meine Empfehlung daher: Hören Sie auf mit Budgets, Stundenzetteln und -sätzen. Reduzieren Sie den Controlling-Ansatz und die OKR Methode und fragen Sie sich, worum es wirklich geht: Nutzen und Sinn.
Das würde bedeuten, dass dann insgesamt weniger verhandelt werden würde? Können Sie das als Verhandlungstrainer wollen?
Ich könnte hier noch etliche Belege dafür bringen, eine Budgetverhandlung zu vermeiden. Auch wenn ich mir als Verhandlungstrainer etwas ins eigene Fleisch schneide. Den Ansatz, vom Verhandeln in das wertebasierte und -orientierte Überzeugen zu kommen, propagiere und lebe ich aber auch selbst immer mehr. Einige Aspekte dazu: Jahrhunderte lang wurden Gelder und Budgets allokiert. Es war/ist immer viel Politik im Spiel, Lügen gehör(t)en dazu, um Gelder zu erhalten. Netzwerke, Sympathie und Antipathie spiel(t)en eine große Rolle. Das muss nicht sein. Daher meine Haltung zum wertebasierten Überzeugen.
Zum Abschluss: Was sind Ihre drei wichtigsten Tipps für Budgetverhandlungen und was sind die drei größten No-Gos?
Gos:
- Bereiten Sie sich gut vor indem Sie Vision, Strategie, Ziele, Verhandlungsmasse, Hintergründe, Beweise und Beispiele sowie Fach- und Nutzenargumente ausarbeiten. Gehen Sie mögliche Gegenargumente durch.
- Seien Sie sich über Ihre Verhandlungskompetenz und -verantwortung im Klaren und kontrollieren Sie die Situation. Gehen Sie nicht mit der selbsterfüllenden Prophezeiung in die Verhandlung „das kriegen wir eh nicht durch“. Reagieren Sie nicht zu emotional und seien Sie ehrlich, wenn sie etwas nicht erklären oder belegen können.
- Hören Sie zu! Wort für Wort, Satz für Satz. Es bietet Ihnen unendliche Möglichkeiten das zu verhandeln, was gesagt wird und nicht nur das zu nennen, was auf Ihrem Zettel steht. Dann können Sie auch die richtigen Fragen stellen und vor allem beantworten lassen. Also: Lassen Sie sich nicht ablenken und machen Sie sich Notizen über Aussagen, Gegenargumente und Werte. Unter Stress funktioniert unser Gehirn nicht so gut, daher helfen Notizen.
No-Gos:
- Betteln Sie nicht, fordern Sie. Keine Verhandlung voller Konjunktive (könnte, müsste) und Weichmacher („Besteht eventuell die Möglichkeit, …“).
- Lügen und bluffen. Fliegt Ihr Bluff auf, haben Sie für den Rest der Verhandlung und die Zukunft einen schweren Stand.
- Unrealistische Forderungen stellen oder Forderungen ohne Begründung liefern. Sie sollten auch keinesfalls unter Zeitdruck verhandeln, sondern nach Möglichkeit im Zweifel vertagen.