Tobias Bruse: Danke für diese Brücke in die Finanzbranche. Ich würde beispielhaft gern über die Deutsche Bank sprechen. Sie finanziert schon seit 2016 keine neuen Kohlekraftwerke und seit 2020 auch keine Fracking- oder Öl- und Gasprojekte in der Arktis mehr. Diese Aktivitäten in puncto Nachhaltigkeit kommen in der breiten Wahrnehmung aber kaum an. Hinzukommt, dass Banken in der öffentlichen Wahrnehmung ohnehin nicht das beste Image haben. Was müssen die Kreditinstitute tun, damit diese Aktivitäten auch auf das eigene Image einzahlen?
Frank Weber: Die Antwort wird vielleicht ein wenig verwundern: wenig, sehr wenig! Denn die von dir angeführten Maßnahmen sind gut, aber sie sind noch nicht der Beweis dafür, dass die Deutsche Bank eine wirklich nachhaltige Bank ist. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Um es einmal anmaßend zu formulieren: Wäre ich in der Verantwortung für ein solches Kreditinstitut, würde ich mein Haus zunächst mit Hochdruck strategisch neu aufstellen und es mit einem an ESG-Kriterien orientierten Geschäftsmodell ausstatten. Wie gesagt, das ist ein dickes Brett und hat auch viel mit der Etablierung eines neuen Mindsets und einem Kulturwandel zu tun. Wären mein Team und ich damit gut unterwegs, könnten wir anfangen, darüber zu sprechen. Denn nicht die Hochglanzworte prägen das Image, sondern die eingelösten Versprechen. Der gute alte PR-Spruch „Tue Gutes und rede darüber“ gehört in meinen Augen adjustiert: „Löse deine Versprechen nachweisbar ein, dann darfst du darüber reden!“
Tobias Bruse: Können wir davon ausgehen, dass die allgemein für die deutsche Wirtschaft erhobenen Zahlen, über die du eben sprachst, bei den Finanzdienstleistern wie Banken, Sparkassen oder Versicherungen nicht wirklich besser aussehen? Also dass die Bereitschaft mehr zu tun, als nur einen grünen Anstrich zu haben, eher gering ist? Da würde es ins Konzept passen, dass die US-Behörden im vergangenen Herbst wegen des Verdachts auf Greenwashing gegen den Fondsanbieter DWS ermittelt haben.
Frank Weber: Ob das nun richtig war oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Das Beispiel eignet sich aber hervorragend, um einige Mechanismen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zu erklären. Anfang 2020 hatte der Chef der Asset Management-Sparte der Deutschen Bank (DWS) ein sehr ehrgeiziges Ziel angekündigt: Er wollte sein Unternehmen zu einem weltweit führenden Anbieter von nachhaltigen Fonds und Finanzprodukten entwickeln. Als der Skandal im August 2021 hochkam, waren seit dieser fulminanten Ankündigung gerade einmal anderthalb Jahre vergangen. Wir sehen an diesem Beispiel sehr gut, dass es für den wirklichen Strategiewechsel und den Umbau eines Geschäftsmodells einer Bank, Sparkasse, Versicherung oder eines anderen Finanzinstituts viel mehr Zeit braucht als diese paar Monate. Wenn ein Unternehmen nachhaltig werden soll, dann ändern sich nicht nur die Prospekte, sondern vor allem die Werte und damit die Bewertungsmaßstäbe für das Geschäft. Das ist ein tiefgreifender Change-Prozess. Ein verdammt dickes Brett, das zu bohren auch viele Rückschläge bereithalten kann.