Ein fertiges Patentrezept kann auch komm.passion nicht anbieten. Die Realität ist in vielen Bereichen ein „moving target“. Ein genaues Zielbild ist nicht auszumachen, zu volatil und komplex sind die vor uns liegenden Veränderungen. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hat mit Blick auf Regierungshandeln vom „Modus tastenden Lernens“ gesprochen – ein Begriff, der auch zur Verbandsarbeit gut passt.
Agile Organisationen bringen für diesen Lernprozess gute Voraussetzungen mit. Sie sind in der Lage, sich flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse, neue Anforderungen und auch auf neue Gemengelagen einzustellen. Die folgenden Zutaten haben sich in der Praxis als wesentlich herausgestellt, um agile Verbandsarbeit – das „Lernende Tasten“ – zu unterstützen:
Organigramme auflösen
Am Anfang steht das Überführen von Organigrammen und Silos in „amorphe“ Experten:innen-Pools. Das fördert ganz automatisch bereichsübergreifende Projektteams und ermöglicht eine Organisationskultur, die auf Vertrauen, Verantwortung und Lernbereitschaft setzt. Viele der gesellschaftlich diskutierten Themen lassen sich nicht mehr voneinander abgegrenzt in eigenen Silos lösen. Sie stehen in Wechselwirkung zueinander und müssen daher übergreifend betrachtet werden. Der Expert:innen-Pool schafft die organisatorische Voraussetzung, Projektteams bereichsübergreifend, passend zu den Anforderungen und ohne Rücksicht auf „Höfe“ zusammenzusetzen.
Verantwortung statt „Zuständigkeit“
Zuständige Mitarbeiter:innen, die Aufgaben „von oben“ angetragen bekommen, passen nicht mehr in die Zeit. Verbände brauchen Kolleg:innen, die ihre Themen initiativ vorantreiben, entscheiden und am Ende auch verantworten. Das setzt Mut bei den Top-Führungskräften voraus, weil sie Kontrolle abgeben – dafür aber Expertise und Flexibilitäten bekommen. Am Ende gehört zur Verantwortung eben auch, Expert:innen so einzubinden, so dass jede:r an Bord gewinnbringende Expertise beisteuert und alle gemeinsam das passendste Team für das jeweilige Thema bilden. Verbänden gibt das die Chance, schneller, flexibler und auch kompetenter auf neue Gemengelagen reagieren zu können.
Kanäle hinterfragen
Jede Generation hat ihren Kanal – und jede Generation wird älter und spricht irgendwann mit, wenn es darum geht, Interessen zu verhandeln. Deutlich wird das am Deutschen Bundestag. Das Parlament ist jünger geworden, und die neuen MdBs bringen neue Informations- und Kommunikationsstile mit. Darauf müssen Kommunikator:innen reagieren. Bewegungen wie Fridays for Future haben massiv an Präsenz und vor allem an Gewicht im öffentlichen Dialog gewonnen. Der Dialog mit ihnen muss auf den adäquaten Kanälen gestaltet werden. Verbände dürfen dabei auch mal überraschen, kreative Angebote machen, die man von ihnen nicht erwartet hätte. Digital und analog - politische Kommunikation muss omnichannel geplant werden. Aber Vorsicht, nicht blind jeder Sau hinterherrennen, die gerade durchs Dorf gejagt wird. Planung darf auch dazu führen, die Kanäle auszusortieren, die in Zielgruppe, Tonalität und Klima nicht das Umfeld bieten, die das jeweilige Thema braucht. Das ist eben der Spagat: Neues wagen ohne sich selbst zu verlieren. Wenn es einfach wäre, wär’s kein Beruf.