Orientierung, was Nachhaltigkeit ausmacht, geben die Standards, nach denen berichtet wird. Zentral sind die ESG-Kriterien, Environment, Social und Governance. Sowohl der international weit verbreitete GRI-Standard als auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit ihren für europäische Unternehmen bald verpflichtenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) greifen diese Logik auf. Alle drei Berichtstandards machen deutlich: Es geht nicht allein um ökologische Themen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: An der ökologischen Transformation führt kein Weg vorbei. Aber die Fragen bleiben: wie, in welchen Schritten, zu welchem Preis. Gerade der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die damit verbundene geopolitische Lage haben ein neues Nachdenken darüber ausgelöst, was fundamentale Interessen sind und was uns als Gesellschaft wirklich wichtig ist.
Es lohnt daher in der Nachhaltigkeitsdebatte über mehr als „nur“ Ökologie zu sprechen. Unternehmen haben auch Verantwortung gegenüber Beschäftigten und gegenüber dem Umfeld, in dem sie agieren. Das geht weit über ökologische Themen hinaus – Stichworte sind Einkommen, Wertschöpfung, Arbeit und Ausbildung, aber auch zunehmend die Versorgungssicherheit.
Darüber hinaus können Transformationen nicht über Nacht gelingen. Sie benötigen oft Zeit für neue Lösungen und Innovationen, die funktionieren und auch wirtschaftlich umsetzbar sein müssen. Das lässt sich ganz praktisch an konkreten Konfliktfeldern deutlich machen.
Nehmen wir die Stahlindustrie, eine Branche mit hohem CO2-Ausstoß, aber eben auch eine relevante Branche mit vielen Arbeitsplätzen, die einen für viele nachgelagerten Branchen relevanten (und, einmal produziert, auch sehr klimafreundlichen!!) Grundstoff erzeugt. In dieser Güterabwägung wird Politik kaum zu dem Schluss kommen, die Existenz der Branche bewusst zu gefährden.
Ein anderes Beispiel ist die Landwirtschaft. Weniger Pflanzenschutz, weniger Düngung, mehr Bio – die ökologischen Forderungen sind bekannt. Und ohne ihre Berechtigung zu diskutieren: Ihnen gegenüber stehen Güter, die für eine nachhaltige Gestaltung ebenfalls von elementarer Bedeutung sind: die Überlebensfähigkeit der Betriebe, Einkommen und Perspektiven im ländlichen Raum, aber auch die Versorgungssicherheit im ganzen Land.
Die Beispiele lassen sich weiter fortsetzen. Die regionale Wertschöpfung kann genauso zum nachhaltigen Thema werden wie der kurze Weg vom Hersteller zum Kunden. Es lohnt sich also, die Debatte um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu führen. Und es lohnt sich, diese Debatte sehr strategisch zu führen und den Begriff der Nachhaltigkeit mit Blick auf alle drei Dimensionen – ESG – zu prägen. Denn Nachhaltigkeit hat auch mit dem Erhalt von Wirtschaftskraft und sozialer Leistungsfähigkeit zu tun. Am Ende gilt die Binsenweisheit: Wenn ich Industrie nachhaltig transformieren möchte, muss ich sicherstellen, dass es diese Industrie auch eine Zukunft hat.